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Biedermann und die BrandstifterOverlay E-Book Reader

Biedermann und die Brandstifter

Ein Lehrstück ohne Lehre. Mit einem Nachspiel | Max Frisch

E-Book (EPUB)
2016 Suhrkamp
Auflage: 1. Auflage
96 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-518-73490-2

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Kurztext / Annotation

Das Stück ist die Geschichte des Bürgers Gottlieb Biedermann, der die Brandstifter in sein Haus einlädt, um von ihnen verschont zu werden. Es entlarvt präzise eines Geisteshaltung, die der Technik des Totalitären zum Erfolg verhilft. Biedermann und die Brandstifter - eine politische Parabel, die ihre kritische Kraft nicht aus der Entlarvung der Lüge bezieht, sondern aus der Inszenierung der biedermännischen Wehrlosigkeit gegenüber Verbrechern, die von Anfang an sagen, was sie wirklich wollen.
Das »Lehrstück ohne Lehre« wurde am 29. März 1958 am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt. Die deutsche Erstaufführung mit der Uraufführung des Nachspiels war am 28. September 1958 an den Städtischen Bühnen Frankfurt am Main. Biedermann und die Brandstifter gehört seit Jahren nicht nur zum Theaterrepertoire, sondern auch zum Lekturekanon im Deutschunterricht.



Max Frisch, geboren am 15. Mai 1911 in Zürich, arbeitete zunächst als Journalist, später als Architekt, bis ihm mit seinem Roman Stiller (1954) der Durchbruch als Schriftsteller gelang. Es folgten die Romane Homo faber (1957) und Mein Name sei Gantenbein (1964) sowie Erzählungen, Tagebücher, Theaterstücke, Hörspiele und Essays. Frisch starb am 4. April 1991 in Zürich.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Die Bühne ist finster, dann leuchtet ein Streichholz auf: man sieht das Gesicht von Herrn Biedermann, der sich eine Zigarre anzündet und jetzt, da es heller wird, sich seinerseits umsieht. Ringsum stehen Feuerwehrmänner in Helmen.

BIEDERMANN Nicht einmal eine Zigarre kann man heutzutage anzünden, ohne an Feuersbrunst zu denken! ... das ist ja widerlich - Biedermann verbirgt die rauchende Zigarre und verzieht sich, worauf die Feuerwehr vortritt in der Art des antiken Chors. Eine Turmuhr schlägt: ein Viertel.

CHOR Bürger der Vaterstadt, seht
Wächter der Vaterstadt uns,
Spähend,
Horchend,
Freundlichgesinnte dem freundlichen Bürger -

CHORFÜHRER Der uns ja schließlich bezahlt.

CHOR Trefflichgerüstete

Wandeln wir um euer Haus,

Wachsam und arglos zugleich.

CHORFÜHRER Manchmal auch setzen wir uns,

Ohne zu schlafen jedoch, unermüdlich

CHOR Spähend,

Horchend,

Daß sich enthülle Verhülltes,

Eh' es zum Löschen zu spät ist,

Feuergefährliches.

Eine Turmuhr schlägt halb.

CHORFÜHRER Feuergefährlich ist viel,

Aber nicht alles, was feuert, ist Schicksal,

Unabwendbares.

CHOR Anderes nämlich, Schicksal genannt,

Daß du nicht fragest, wie's kommt,

Städtevernichtendes auch, Ungeheures,

Ist Unfug,

CHORFÜHRER Menschlicher,

CHOR Allzumenschlicher,

CHORFÜHRER Tilgend das sterbliche Bürgergeschlecht.

Eine Turmuhr schlägt: drei Viertel.

CHOR Viel kann vermeiden Vernunft.

CHORFÜHRER Wahrlich:

CHOR Nimmer verdient es der Gott,

Nimmer der Mensch,

Denn der, achtet er Menschliches so,

Nimmer verdient er den Namen

Und nimmer die göttliche Erde,

Die unerschöpfliche,

Fruchtbar und gnädig dem Menschen,

Und nimmer die Luft, die er atmet,

Und nimmer die Sonne -

Nimmer verdient,

Schicksal zu heißen, bloß weil er geschehen:

Der Blödsinn,

Der nimmerzulöschende einst!

Die Turmuhr schlägt: vier Viertel.

CHORFÜHRER Unsere Wache hat begonnen.

Der Chor setzt sich, während der Stundenschlag tönt: neun Uhr.

Szene 1

Stube

Gottlieb Biedermann sitzt in seiner Stube und liest die Zeitung, eine Zigarre rauchend, und Anna, das Dienstmädchen mit weißem Schürzchen, bringt eine Flasche Wein.

ANNA Herr Biedermann? - Keine Antwort.

Herr Biedermann -

Er legt die Zeitung zusammen.

BIEDERMANN Aufhängen sollte man sie. Hab ich's nicht immer gesagt? Schon wieder eine Brandstiftung. Und wieder dieselbe Geschichte, sage und schreibe: wieder so ein Hausierer, der sich im Dachboden einnistet, ein harmloser Hausierer ...

Er nimmt die Flasche.

Aufhängen sollte man sie!

Er nimmt den Korkenzieher.

ANNA Herr Biedermann -

BIEDERMANN Was denn?

ANNA Er ist noch immer da.

BIEDERMANN Wer?

ANNA Der Hausierer, der Sie sprechen möchte.

BIEDERMANN Ich bin nicht zu Hause!

ANNA Das hab ich ihm gesagt, Herr Biedermann, schon vor einer Stunde. Er sagt, er kenne Sie. Herr Biedermann, ich kann diesen Menschen nicht vor die Tür werfen. Ich kann's nicht!

BIEDERMANN Wieso nicht?

ANNA Nämlich er ist sehr kräftig ...

Biedermann zieht den Korken.

BIEDERMANN Er soll morgen ins Geschäft kommen.

ANNA Ich hab's ihm gesagt, Herr Biedermann, schon dreimal, aber das interessiert ihn nicht.

BIE