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Herr Biedermann und die Brandstifter. Rip van Winkle

Zwei Hörspiele | Max Frisch

E-Book (EPUB)
2020 Suhrkamp Verlag
Auflage: 1. Auflage
115 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-518-75278-4

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Kurztext / Annotation

Das Hörspiel Herr Biedermann und die Brandstifter inszeniert die Geschichte eines Kleinbürgers, der die Brandstifter in sein Haus läßt, um von ihnen - verzweifelte Hoffnung opportunistischer Bonhomie - verschont zu werden. In der verwickelten Konspiration von Spießern und Gangstern wird eine Geisteshaltung entlarvt, die zur Urgeschichte des Totalitären gehört.



Max Frisch, geboren am 15. Mai 1911 in Zürich, arbeitete zunächst als Journalist, später als Architekt, bis ihm mit seinem Roman Stiller (1954) der Durchbruch als Schriftsteller gelang. Es folgten die Romane Homo faber (1957) und Mein Name sei Gantenbein (1964) sowie Erzählungen, Tagebücher, Theaterstücke, Hörspiele und Essays. Frisch starb am 4. April 1991 in Zürich.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Herr Biedermann und die Brandstifter
Hörspiel

(1952)

Personen: Verfasser - Biedermann - Frau Biedermann - Schmitz
Eisenring - Anna

VERFASSER Liebe Hörerinnen und Hörer! Herr Biedermann, der Held unsrer unwahrscheinlichen Geschichte, wartet bereits im Nebenraum, ich sehe ihn hier durch die große Scheibe, aber er kann mich nicht hören... Sie alle, liebe Hörerinnen und Hörer, kennen Herrn Biedermann, wenn auch vielleicht unter anderen Namen. Was ihn außer einem freundlichen Verzicht auf besondere Merkmale auszeichnet, ist eine rosige Gesundheit, die ihn dazu bestimmt, stets und nach jeder Katastrophe zu den Überlebenden zu gehören. Seine Art, sich zu kleiden, erinnert mich an die Puppen in den Schaufenstern, korrekt vom Scheitel bis zur Sohle. Außer den rosigen Backen, die es übrigens schwer machen, sein Alter zu schätzen, trägt Herr Biedermann eine weithin sichtbare, in der üblichen Blässe spiegelnde Glatze, was er weiß; doch möchte Herr Biedermann nicht, daß man seine Glatze öffentlich erwähnt. Das hängt mit seinem Geschäft zusammen. Nämlich Herr Biedermann handelt, wie Sie hören werden, mit Haarwasser. Wahrscheinlich wird Herr Biedermann, sobald ich ihn vor dieses Mikro bitte, Ihnen seine Unschuld versichern. Ich möchte aber Ihrem persönlichen Urteil über Herrn Biedermann in keiner Weise vorgreifen, sondern (solange wir unter vier Augen sind) nur noch beifügen: Ich habe mit bewußter Absicht eine erfundene Katastrophe gewählt, nämlich den Brand von Seldwyla, um in den geschätzten Hörern keinerlei Erschütterung auszulösen, keinerlei persönliche Leidenschaft, die uns nur das Vergnügen einer gelassenen und sachlichen Betrachtung verdirbt, das Vergnügen zu erkennen, daß es auch Katastrophen gibt, die nicht hätten stattfinden müssen.

Er klopft an die Scheibe

Herr Biedermann?!

Er tritt zum Mikrophon zurück

Er kommt sogleich. - Seldwyla, das Sie vermutlich aus der Literatur kennen, dürfen Sie sich natürlich nicht vorstellen, wie Gottfried Keller es geschildert hat. Seldwyla ist eine heutige Stadt geworden mit allem, was dazu gehört: mit Kinos, Trolleybus, Stadion, Verkehrspolizei, Kanalisation, Theater-Festspielen, Mangel an Parkplätzen usw.

Biedermann tritt in den Senderaum

VERFASSER Herr Biedermann! Ich habe die Ehre, Herr Biedermann, mich Ihnen vorzustellen: Ich bin Ihr Verfasser -

BIEDERMANN Guten Abend.

VERFASSER Vorderhand wissen unsere Hörer nur, daß es sich um den Brand von Seldwyla handelt, noch habe ich nicht gesagt, daß Sie, Gottlieb Biedermann, die Persönlichkeit sind, die unsere Katastrophe ermöglicht hat.

BIEDERMANN Mein Herr, ich bitte Sie -!

VERFASSER Ich sage keineswegs, Herr Biedermann, daß Sie die Katastrophe verschuldet haben. Keineswegs! Ich sage nur, Sie haben sie (wenn ich so sagen darf) ermöglicht.

BIEDERMANN Was will man von mir?

VERFASSER Wir möchten Sie kennenlernen, Herr Biedermann.

BIEDERMANN Warum?

VERFASSER Sie sind ein wichtiger Zeitgenosse, Herr Biedermann, weil ohne Sie, glaube ich, die Weltgeschichte zuweilen ganz anders verlaufen würde.

BIEDERMANN Ich bin unschuldig.

VERFASSER Sicher, Herr Biedermann, sicher.

BIEDERMANN Also.

VERFASSER Sie sind völlig frei, Herr Biedermann, zu sagen, was Sie denken.

BIEDERMANN Ich lasse mich nicht zur Verantwortung ziehen - -

VERFASSER Wer will das denn? Sie irren sich, Herr Biedermann, kein Überlebender zieht Sie zur Verantwortung, und die Toten sind tot. Wir sind bereit, nicht bloß den Urhebern unsrer Katastrophe eine volle Amnestie zu gewähren, sondern sogar uns selbst, indem wir alle historischen Katastrophen, die gewesenen wie die kommenden, als ein schlichtes Schicksal betrachten, als unvermeidlich. Was wollen Sie mehr, Herr Biedermann? Eben dazu stehen wir ja vor diesem Mikro, um unsern Hörer dahin zu bringen, daß er Sie, Got